Sonntag, 6. März 2011

Werther Brief I

Oh Werther, mein geliebter Freund, merke gut, leicht lässt sich die Vernunft, doch schwer das Herz betriegen. Nun ist es dir nicht erlaubt, jederzeit deinem Herzen zu trauen. Ach wie mir das durch alle Adern läuft, wenn ich deine Briefe lese. Welch ein Wesen erlaubt sich, dein Herz so zu verderben, deine Seele so ins unendliche Leiden zu treiben? Der einzige Weg aus dieser unausstehlichen Liebe ist dieser: Du sollst dir einen anderen Engel suchen. Schau weit hinaus in die Welt, ist Lotte die einzige Frau in deinen Augen? Öffne dein Herz und lass deine Seele frei sein, nur so wirst du die Liebe entdecken. Nun vermeide es zu behaupten, dir sei die Liebe nicht mehr fremd. Lotte ist nur ein Weib von vielen, richte deinen Blick hinaus in die Welt und ich versichere dir, im sanften Abendwind wirst du einem herrlichen Wesen begegnen. Ist aber dein Herz voller Abweisung, wirst du den Traum der Liebe nie vollständig ausleben dürfen. So gehe nun mit bestem Wille davon und lass die Lotte. Und dein Herz sollst du nicht mit Nägeln zusammenhalten, denn du kennst jetzt ja das Märchen vom Magnetenberg. Viel eher sollst du es mit Kleister und Leim zusammenhalten, mein Liebster, denn erinnere dich, auch der längste, beste Nagel entweicht dem Magnetenberg nicht.

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