Montag, 3. Januar 2011

Aus der Nathan-Lektüre II

Die Ringparabel

"Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder mit seinem Ring, und jeder will der Fürst des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, man klagt. Umsonst. Der rechte Ring war nicht erweislich. Fast so unerweislich, als uns itzt - der rechte Glaube."

(Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise, 3. Aufzug)


Im Gedicht "Nathan der Weise" geht es hauptsächlich um die Idee der Tolleranz. Daher scheint mir die Ringparabel ein zentrales Ereignis, auf welches ich genauer eingehen möchte. Die Ringparabel wird in Lessing's Werk als Schlüsselszene angesehen.

Saladin ruft Nathan zu sich und fragt ihn, welche der drei monotheistischen Religionen nun die wahre sei. Nathan zögert anfänglich, denn er fürchtet eine Falle. Um keinen Ärger zu kriegen erzählt er Sultan Saladin ein Gleichnis. („Nicht die Kinder bloß, speist man Mit Märchen ab“)

Ein Mann besass ein wunderschöner Zauberring, der die geheime Kraft hatte, den Träger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen. Dieser Ring wurde vom Vater an dem Sohn weitergegeben, den er am liebsten hatte. So ging er von Generation zu Generation weiter, bis ein Mann alle drei Söhne gleich liebte und keinen vernachlässigen wollte. Also fertigte er ohne deren Wissen zwei wetere, identische Ringe an. An einem Tod bekam jeder Sohn einen Ring. Nach langem Streiten, wer wohl der echte Ring besitze, gingen sie vor Gericht. Der Richter wusste aber auch nicht, welcher der originale Ring gewesen sei und gibt ihnen den Rat, jeder von ihnen solle glauben, den echten Ring zu besitzen. Der Vater habe nämlich alle gleich geliebt und konnte es nicht ertragen, einen zu bevorzugen, wie er es eigendlich hätte tun müssen.

Die Parabel kann man so verstehen, dass der Vater für den liebenden Gott steht und die Ringe für die drei monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam), die drei Söhne hingegen für deren Anhänger. Gott liebt die Menschen also gleich fest, unabhängig davon welcher Religion sie angehören. In diesem Märchen kann man auch deuten, dass es keine "wahre" Religion gibt, denn es spielt keine Rolle, welche Religion die "wahre" ist, es sind alle drei gleich gut. Man muss aber an die eigene Religion glauben, um Nutzen davon zu tragen. Auch beim Zauberring ist es so, seine Wirkung trifft nur ein, wenn der Träger an sie glaubt.

Mit dem Schluss der Geschichte (siehe Zusammenfassung), möchte Lessing nochmals die Lehre der Ringparabel betonen, dass alle Menschen verschiedensten Glaubens und unterschiedlichster Herkunft sein können, doch einer großen Familie angehören, nämlich der Familie der Menschen.

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