Sonntag, 5. September 2010

AXOLOTL ROADKILL 2

Wie verändert das Hintergrundwissen die Beurteilung?

Letzten Montag haben wir den Auftrag bekommen, verschiedene Artikel, Kritiken und Blogeinträge über das Buch "AXOLOTL ROADKILL" zu lesen und es dann in der Klasse zu diskutieren. In den verschiedenen Artikel und Quellen ging es darum, dass die Autorin des Buches, die erst 17-jährige Helene Hegemann, einige Abschnitte aus ihrem Buch, teilweise schon ganze Passagen, nicht selber erfunden sondern abgeschrieben hatte. Die Meinungsverschiedenheiten waren gross. Kann man es noch als ihr Werk definieren?


Heutzutage, wo alle freien Weg haben zu google und anderen Suchmaschienen, ist es tatsächlich sehr schwer zu sagen, ob etwas abgeschrieben ist, oder ob es nun selber erfunden wurde. Man kann wohl nichts völlig neu erfinden, alles hat es auf irgend einer Art und Weise schon einmal gegeben. Nun sind aber gewisse Textstellen ziemlich genau abgeschrieben. Und zwar von einem Buch, welches den Titel "Strobo" trägt. Der Autor mit dem Jahrgang 1981, als Airon bekannt, schreibt in seinem Roman über Grenzerfahrungen in der Berliner Techno- und Drogenszene, die er anscheinend selbst erlebt hat. Das Buch erschien in einem entlegenen Berliner Verlag, in den Redaktionen hat kaum jemand etwas davon gehört.


Dank Helene Hegemann hat sich dies jedoch geändert. Durch das Abschreiben mehreren Stellen, brach einen Skandal aus in den Medien, wodurch Airons Buch bekannt wurde. Schlussendlich gab es jegliche Auseinendersetzungen und Meinungsverschiedenheiten, ob dieses "Kopieren" nun in Ordnung sei oder nicht. Dies haben wir, wie schon erwähnt, auch in der Klasse besprochen. Es war sehr spannend die weit auseinendergehenden Meinungen zu erfahren und die eigene zu verteidigen.


Meiner Meinung nach ist abschreiben erlaubt, die Frage ist aber: Wie viel darf man abschreiben, damit es noch als eigenes Werk definiert werden kann? Kann man etwas, was abgeschrieben wurde oder kopiert, dann auch veröffentlichen und damit Geld verdienen? Wie weit darf man gehen?
Diese Fragen sind auch in der Stunde aufgetaucht und haben viel Gesprächsstoff geliefert. Ist eine Collage ein gestohlenes Werk? Meistens wird dann der Künstler, der die Collage zusammengestellt hat, berühmt. Dies könnte man mit dem Abschreiben im Roman "AXOLOTL ROADKILL" vergleichen: Es wurden gewisse Stellen, Wörter und Passagen abgeschrieben, jedoch nicht immer wortwörtlich, sondern mit anderen Verben, anderen Satzzeichen, oder manchmal wurden sie sogar von Helene Hegemann korrigiert oder ausgebessert. Zudem hat das Buch ein anderer Titel, eine etwas andere Handlung, ein anderer Klappentext. Reicht dies um zu sagen, es sei ein eigenes Werk? Diese Frage hat keine eindeutige Antwort, jeder kann sie anderst beurteilen. Ich persönlich bin der Meinung, dass man es durchaus als eigenes Werk ansehen kann. Wenn etwas nicht exakt gleich ist, solange man noch etwas eigenes hinzugefügt hat, falls es etwas persönliches dabei hat, ist es etwas einmaliges, etwas eigenes.


Klar war auch ich etwas enttäuscht als ich erfuhr, dass der Roman nicht schliesslich von der Autorin stammt, sondern dass dabei auch viel von anderen Büchern und Blogs übernommen wurde. Jedoch finde ich, dass man nichts selber erfinden kann, sondern dass alles auf irgendwelche Erlebnisse oder Erfahrungen zurückgreift. Man könnte auch damit argumentieren, dass wenn man eine Biographie über einen Menschen schreibt, man dann "mit seiner Lebensgeschichte" Geld verdient. Ist dies korrekt?
Und da taucht ein weiteres Thema auf: Autorisierung, Bevollmächtigung, Erlaubnis, Ermächtigung, Genehmigung. Kurz gesagt: Vielleicht wäre nicht eine so grosse Debatte entstanden, hätte die Autorin zuerst Airon um Erlaubnis gefragt, bei seinem Blog abzuschreiben und mehrere Passagen zu übernehmen. Mit seiner Erlaubnis, einer Bedankung der Autorin und einer Quellenangabe wäre die Situation möglicherweise nicht eskaliert und Airon wäre dankbar gewesen für die Aufmerksamkeit.


Meine Meinung über den Roman ist immer noch die selbe wie letzte Woche, jedoch mit einem Hauch Enttäuschung im Hintergrund. Dies hindert mich aber nicht zu sagen, dass das Buch schlecht sei, oder dass es eine Lüge sei. Denn schlussendlich kommt man nur über Lügen zur Warheit. Plagieren und Abschreiben ist nicht schwer, dabei aber das Werk zum eigenen machen ist kein Kinderspiel. Hätte niemand Airons Blog gelesen, so wäre wohl keiner darauf gekommen, dass Helene Hegemann abgeschrieben hat. Klug abzuschreiben ist auch eine Kunst und braucht gewisses Talent. In Axolotl Roadkill ist dies gut gelungen. Das Buch möchte ich also noch bis zu Ende Lesen, trotz Abschreiben und Plagieren.